Aus der Geschichte
Das Tal von Balsthal, kurz das "Thal" genannt, weist relativ
viele Zeugen aus vorgeschichtlicher Zeit auf. Um so auffallender ist es,
dass das Guldental keine Spuren einer vorrömischen Besiedlung besitzt.
Ob und warum die Kelten das wahrscheinlich sehr waldreiche Guldental gemieden
haben, kann heute nicht festgestellt werden. Zwar nimmt man an, dass die
Namen Dub (Hof an der Passwangstrasse) und Bereten (Beretenkopf) keltischen
Ursprungs seien, doch fehlen sichere Beweise einer Besiedlung.
Im Jahre 58 v. Chr. schlugen die Römer unter dem späteren Kaiser Julius
Cäsar die nach Frankreich ziehenden Helvetier und Rauriker bei Bibrakte
in Burgund. Die geschlagenen Stämme wurden gezwungen, wieder in ihre alte
Heimat zurück zu kehren, und ihnen auf dem Fusse folgten die Römer.
Erst mit dieser Zeit kann eine, wenn auch spärliche Besiedlung des Guldentales
angenommen werden. Der Name "Limmern", wie der Übergang über die Wasserfalle
auch heisst, wird von den Historikern als vom Lateinischen "limes" = Schwelle
abgeleitet und würde damit auf einen Pfad über die Wasserfalle hindeuten.
Ebenso ist bekannt, dass die Ortschaften mit den Endungen "will" meist
auf römische Siedlungen hinweisen (wil von lat. villa = einzelner Hof).
Zu Beginn des 5. Jahrhunderts wurden die Römer von den Alemannen vertrieben.
Die alemannische Besiedlung des Guldentales war wohl recht spärlich und
bestand nur aus einzelnen Höfen. Der Hofname "Sool" (solus = einzeln,
allein) belegt diese Annahme. In anderen Hofnamen, wie Sebleten, Farisberg
usw., mögen wir noch heute die ehemaligen Besitzer dieser Höfe erkennen,
nämlich Seblo und Varus.
Verschiedene Einzelhöfe entwickelten sich im Verlaufe der Zeit zu Weilern,
wobei die Namen der ursprünglichen Besitzer beibehalten wurden. So wurden
aus den Höfen des Mumol und des Ramol die Ortschaften Mumolsvillare und
Ramolsvillare oder heute Mümliswil und Ramiswil.
Wenn auch die Namen der beiden Dörfer erst viel später urkundlich erscheinen,
so setzt man heute ihr sicheres Bestehen ins 7. bis 8. Jahrhundert. Erstmals
erwähnt wird Mümliswil im Jahre 1145 und Ramiswil 1147.
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Die Helvetier, die nachfolgenden Römer und auch
die Alemannen waren Heiden. Während die Helvetier besonders die Naturkräfte
verehrten, beteten die Römer zu einer grossen Anzahl verschiedenster Götter.
Die Alemannen wiederum sahen Wald und Feld bevölkert von unsichtbaren Riesen
und Zwergen, die ihnen teils böse, teils gut gesinnt waren. Ihre Götter
und ihr abergläubisches Brauchtum sind uns heute noch in vielerlei Namen
und alten Volksbräuchen erhalten geblieben (Donar - Donnerstag, Ziu - Zischtig,
Freja - Freitag usw).
Noch während Helvetien eine römische Provinz war, drang von Westen her langsam
ein neuer Glaube in unser Gebiet ein: das Christentum. Mit den römischen
Legionären kam das erste christliche Gedankengut zu uns. Bekannt ist die
Legende der beiden römischen Offiziere Ursus und Viktor, die einer jener
zahlreichen Christenverfolgungen zum Opfer fielen und in Solothurn enthauptet
wurden.
Obschon über die Anfänge des Christentums bei uns nichts Genaues bekannt
ist, steht fest, dass die heutige Schweiz schon im 4. Jahrhundert in sieben
Bistümer eingeteilt war. Den grössten Anteil an der Christianisierung hatten
die KIöster. In unmittelbarer Nähe des Guldentales lag das Kloster Münster-Granfelden
(Moutier-Grandval). Man kann deshalb ohne weiteres annehmen, dass der christliche
Glaube durch Sendboten dieses Klosters zu den Alemannen in unser Tal gebracht
wurde. Die Verehrung des hl. Martins als Kirchenpatron lässt ebenfalls auf
eine frühe christliche Gemeinde schliessen (8. Jahrhundert). Die Erbauung
einer ersten Pfarrkirche dürfte auf eine Stiftung der Grafen von Bechburg
zurückgehen und somit ins 11. Jahrhundert fallen. Mit der Erwähnung der
Grafen von Bechburg treten wir in ein neues Kapitel ein. Diese Kapitel ist
ziemlich unübersichtlich und in einzelnen Teilen bis heute noch nicht vollständig
geklärt. Die Grafen von Froburg, Bechburg und Falkenstein besassen im Guldental
und im Thal in irgend einer Art Ansprüche. Der heutige Bezirk Thal war im
Mittelalter ein Teil der Landgrafschaft Buchsgau und gehörte zum Bistum
Basel. Nachdem die Grafen von Froburg im 12. Jahrhundert den Buchsgau als
Lehen übernahmen, wechselte dieser mehrmals den Besitzer. Der Niedergang
und die Verarmung des Adels machte sich bemerkbar. Schliesslich gelangte
die Herrschaft "Neu-Falkenstein", zu welchr Mümliswil gehörte, im Jahre
1420 durch Kauf an Solothurn.
Da sich Solothurn bemühte, auch die Gebiete jenseits des Passwangs in seine
Gewalt zu bringen, erlangte der Übergang über den Passwang einige Bedeutung.
Nach den Burgunderkriegen wurde Solothurn im Jahre 1481 in den Bund der
Eidgenossen aufgenommen. Dieses freudige Ereignis wird wohl auch in Mümliswil
gefeiert worden sein. Das Jahr 1499 brachte die erste,g rosse Bewährungsprobe
für dasjungeBu ndesmitglied. Gegen 1500 Solothurner Kriegsknechte zogen
über den Passwang gegen Dornach und erkämpften unter tatkräftiger Mithilfe
der übrigen Bundesmitglieder die Unabhängigkeit vom Deutschen Reich.
Etliche Unruhe brachte auch der Bauernkrieg im Jahre 1553 ins Guldental.
Anfangs Juni wollten sich 200 Schwarzbuben der Regierung in Solothurn, zur
Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, zur Verfügung stellen. Die Mümliswiler
und Balsthaler verwehrten ihnen aber den Durchzug. Hierauf wurden die Rädelsführer
mit einer Geldbusse bestraft. Der weitere Verlauf des Bauernkrieges ist
bekannt und braucht hier nicht besonders wiedergegeben zu werden. Immerhin
bleibt zu erwähnen, dass bei der Abrechnung der "hochwohlgeborenen, gnädigen
Herren und Obern" in Zofingen auch ein Mümliswiler, Hans Jakob Messer, genannt
der Langschweizer, anzutreten hatte. Es wurde ihm vorgeworfen, er habe anlässlich
der Bauernlandsgemeinde in Huttwil den Bundesbrief eidlich mitgeschworen.
Er wurde aber durch das Kriegsgericht freigesprochen. |
Das Jahr 1798 brachte den Zusammenbruch der Alten Eidgenossenschaft.
Auch das Guldental machte mit den französischen Soldaten Bekanntschaft.
Obschon sich der solothurnische Landsturm, bei dem sich auch Mümliswiler
Frauen befunden haben sollen, erfolgreich auf dem Passwang gegen die anrückenden
Franzosen wehrte, war der Widerstand zwecklos, denn inzwischen hatte sich
die Stadt Solothurn ergeben. Die Franzosen rückten im Guldental ein und
eine neue Zeit brach an. Wir sind in der glücklichen Lage, uns über das
Dorf und seine Entwicklung im 19. Jahrhundert von authentischer Seite
unterrichten zu lassen. Ein Mümliswiler, Beat Walter, der im Jahre 1819
geboren wurde und später während 28 Jahren der Gemeinde als Ammann vorstand,
hat seine Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Er hat über Handel und Wandel,
über gute und schlechte Jahre und nicht zuletzt über die damaligen, heftigen
politischen Kämpfe getreu Buch geführt. So schreibt er im Kapitel "Jugendliche
Erinnerungen": «Das Dorf Mümliswil hatte kein freundliches Aussehen, es
wahren 12 Häuser mit Schindlendächern, auch der Kirchturm war mit Schindlen
bedeckt . . .» Dies mag in der frühen Jugend des Schreibers wohl zugetroffen
haben. Aber schon im Jahre 1836 schreibt U. P. Strohmeier in seinem Buch
"Der Kanton Solothurn": "Wenige Dörfer des Kantons haben sich in den letzten
dreissig Jahren so verschönert, wie dieses. Wo man früher ärmliche Hütten
sah, stehen jetzt neue, ansehnliche Häuser, die für den Wohlstand der
Bevölkerung sprechen.
"Der Wohlstand bewirkte auch eine rasche Zunahme der Bevölkerung in dieser
Zeit. Beides aber war eine Folge der schon früh in Mümliswil eingerichteten
Industrien (Siehe Kapitel «Frühe Gewerbe und Industrien»).
Trotzdem war Mümliswil ein Bauerndorf. Beat VValter schreibt: «Jeden Morgen
im Sommer um 5 that der Kuhhirt mit dem Horn blasen durchs Dorf hinab,
und trieb die Kühe, welche aus den Ställen gelassen wurden durchs Dorf
hinab bis aufs Zelgli, und am Abend wurden selbe durch den Hirten wieder
ins Dorf gebracht...Der Neuigkeitsplatz wahr der Lindenplatz. Da wo jetzt
das Schulhaus steht (erbaut 1839 - abgebrochen 1980), standen drei grosse
Prachtslinden, die grössere wahr ringsum ganz mit einem Bank eingeschlossen
und an Sonntagen wurde dort mit Frühobst, Weggen und Lebkuchen Wochenmarkt
gehalten.»
Bis zum Jahre 1830 ging jede Woche einmal ein Bote von Dornach über den
Passwang nach Solothurn. Im Gasthof Ochsen nahm er mit, was dort für ihn
abgegeben worden war. Am folgenden Tag kam er wieder zurück und brachte
die Post aus Solothurn. Ab 1830 brachte das Botenanneli dreimal wöchentlich
die Post nach Balsthal und wiederum einige Jahre später wurde eine Postkutsche
eingerichtet. Trotzdem blieb Mümliswil in diesen Jahren vom Trubel der
weiten Welt verschont.
Im Jahre 1873 sollte sich dies schlagartig ändern. PIötzlich bekam unser
Dorf den Hauch einer neuen Welt zu spüren. Das Eisenbahnzeitalter brach
auch für Mümliswil an. Es wurde mit dem Bau der "Wasserfallenbahn" von
Liestal nach Oensingen begonnen. Aber schon nach 11 Monaten war der Traum
vom Anschluss an die weite Welt vorbei. Der Wasserfallentunnel, der Mümliswil
mit Reigoldswil hätte verbinden sollen und bereits eine Länge von 1360
m aufwies, wurde wieder verschlossen. Die vielen Arbeiter, die vermehrten
Verdienst hätten bringen sollen, verschwanden. Nur noch das "Spital" und
die "Linie" erinnern uns heute an diese Zeit. Dieser Rückschlag blieb
nicht ohne Folgen, wie aus der Bevölkerungsstatistik zu ersehen ist. Erst
die neunziger Jahre brachten wieder einen Aufschwung, und anno 1900 war
die Bevölkerungszahl wieder auf 1820 angewachsen.
Die stetige Entwicklung Mümliswils hielt an bis zum Beginn der Rezession
um 1975. Mit 2702 Einwohner anlässlich der Volkszählung von 1970 war ein
Höhepunkt erreicht. Die allgemeine Rezession hatte einen Rückgang der
Bevölkerung zur Folge.
Die Industrialisierung bewirkte auch in unserer Gemeinde eine Wandlung
der Dorfstruktur. War Mümliswil im 15. Jahrhundert zum grössten Teil noch
ein Bauerndorf, so hat sich dies heute gründlich geändert.
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